Der Deutsche Bundestag macht einen großen Schritt für eine Welt, in der jeder Platz hat. Mit dem Barrierefreiheitsstärkungsgesetz, kurz BFSG, will Deutschland den Alltag für Menschen mit Behinderungen leichter machen. Dieses Gesetz öffnet Türen – im wörtlichen und im übertragenen Sinne.

Erfahren Sie, welche Anforderungen an Ihre Unternehmenswebsite gestellt werden und welche Schritte Sie ergreifen müssen.

Was ist das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz?

Das BFG ist die deutsche Antwort auf die Richtlinie (EU) 2019/882 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. April 2019. Das Gesetz stellt sicher, dass Produkte und Dienstleistungen zugänglicher gestaltet werden, um insbesondere Personen mit Behinderungen eine selbstbestimmte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen.

Sind nur öffentliche Stellen betroffen, oder gilt dies auch für die freie Wirtschaft?

Grundsätzlich betrifft das Gesetz alle Wirtschaftsakteure, die Produkte oder Dienstleistungen anbieten, welche die Öffentlichkeit betreffen. Dazu gehören zum Beispiel:

  • Elektronischer Handel
  • Bankdienstleistungen
  • Mobilitätsdienste
  • Sozialversicherung und Gesundheitsdienstleistungen
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Die Unternehmen stehen nun vor der Herausforderung, ihre Produkte und Dienstleistungen entsprechend anzupassen, um die Vorgaben des Barrierefreiheitsstärkungsgesetzes zu erfüllen. Es geht darum, Barrieren abzubauen und eine inklusive Gesellschaft zu schaffen, in der alle Menschen uneingeschränkt teilhaben können. Die Umsetzung dieser Anforderungen erfordert nicht nur technische, sondern auch organisatorische Maßnahmen.

Es ist wichtig, dass Unternehmen frühzeitig damit beginnen, sich mit den neuen Bestimmungen vertraut zu machen und entsprechende Maßnahmen zu ergreifen, um die Barrierefreiheit ihrer Angebote sicherzustellen. Durch die Schaffung einer zugänglichen Umgebung profitieren nicht nur Menschen mit Behinderungen, sondern letztendlich die gesamte Gesellschaft von mehr Vielfalt und Inklusion.

Welche Pflichten ergeben sich aus dem BFG?

Unternehmen müssen die Anforderungen des Barrierefreiheitsstärkungsgesetzes schrittweise erfüllen. Zum Kern der Pflichten gehören:

1. Design und Funktionalität: Produkte und Dienstleistungen sollen so gestaltet sein, dass sie von Menschen mit Behinderungen so weit wie möglich eigenständig genutzt werden können. Dies umfasst Webseiten, mobile Anwendungen und elektronische Geräte.

2. Information und Kundenservice: Informationen zu Produkten und Dienstleistungen sollten in leicht zugänglichen Formaten angeboten und Kundenservicebarrieren abgebaut werden.

3. Fortbildung des Personals: Betriebe sollten sicherstellen, dass ihre Mitarbeiter im Umgang mit barrierefreien Produkten und Dienstleistungen geschult sind.

4. Feedback-Mechanismen: Implementierung von Verfahren, über die Nutzer Rückmeldungen zur Barrierefreiheit geben können.
 

Strafen und Sanktionen

Die Nichteinhaltung der Bestimmungen kann zu Sanktionen führen, einschließlich Geldbußen. Deshalb ist eine proaktive Herangehensweise notwendig.

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Umsetzungsmaßnahmen für Betriebe der freien Wirtschaft

Unternehmen können folgende Schritte durchführen, um Konformität sicherzustellen:

  • Durchführung von Barrierefreiheits-Audits
  • Einrichtung von Beratungsdiensten für Barrierefreiheit
  • Entwicklung barrierefreier Webseiten und Apps gemäß WCAG-Richtlinien
  • Schulung der Mitarbeiter in barrierefreiem Service und Umgang mit Hilfstechnologien

Den BITV Selbsttest für Ihre Seite kann man hier kostenlos nach Registrierung durchführen:
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Barrierefreiheit Bedeutung im Kontext von BFSG

Interessanterweise sind im Gesetzestext des BFSG keine genauen Definitionen zur Anwendung von Barrierefreiheit zu finden, es wird lediglich auf die europäische Norm EN 301 549 verwiesen. Diese wiederum bezieht sich auf die AA-Standards der Web Content Accessibility Guidelines (WCAG) 2.1. Diese Guidelines geben im Allgemeinen eine gute Barrierefreiheit Definition und zeigen, was ein barrierefreier Zugang für Websites bedeutet.

Alle Standards an dieser Stelle detailliert aufzuzählen, würde sicher den Rahmen des Ganzen sprengen. Im Allgemeinen kann man die Vorgaben zur Barrierefreiheit aber in vier Prinzipien unterteilen:

Darunter fallen Textalternativen zu Bildern und einfache Layouts, bei denen Informationen klar strukturiert sind und Inhalte sowohl visuell als auch auditiv einfach rezipiert werden können.

  • Es sollte möglich sein, durch die Seite allein mit Hilfe der Tastatur zu navigieren.
  • Alle Nutzer sollten genügend Zeit haben, um Inhalte wahrzunehmen.
  • Eingabefelder wie etwa Formulare sollten im Backend klar ausgezeichnet sein, damit man diese auch ohne Tastatur nutzen kann.
  • Inhalte sollten so gestaltet sein, dass die Wahrscheinlichkeit eines epileptischen Anfalls so gering wie möglich ist.
  • Inhalte sollten einfach zu lesen und zu verstehen sein. Das kann beispielsweise die Schriftgröße betreffen oder den Kontrast von Schrift und Hintergrund.
  • Web-Konventionen sollten eingehalten werden, beispielsweise sollten Links unterstrichen und wenn möglich in einer Farbe, z.B. in Blau, dargestellt werden.
  • Die Website sollte Feedback bei Fehlern geben und helfen, diese zu korrigieren, dazu gehören beispielsweise deutliche Fehlermeldungen.

Die Website sollte Hilfsmitteln wie Screenreader unterstützen und damit auch in Zukunft kompatibel sein.

Unter jedem dieser vier Prinzipien gibt es einige Anforderungen und Erfolgskriterien, die dabei helfen, die digitalen Barrieren abzubauen und Menschen mit Einschränkungen zu erreichen.

Die korrekten Kriterien sind in der Web Content Accessibility Guidelines (WCAG) festgelegt und bilden den internationalen Standard für barrierefreies Webdesign. Zusätzlich zu den 60 WCAG 2.1 Prüfschritten, müssen nach der europäische Norm 38 weitere Anforderungen erfüllt werden, die die EN 301 549 für Web-Inhalte formuliert. Es ist eine Art Richtlinien-Katalog, der beschreibt, welche Punkte für eine barrierefreien Internetseite erfüllt sein müssen.

Sollten Sie gesetzlich dazu verpflichtet sein, eine barrierefreie Website zu gestalten, können Sie sich mit der Liste der Prüfkriterien nach BIK einen realistischen Überblick über alle relevanten Merkmale und Kriterien verschaffen.

BITV konforme Website nach BIK

Um eine Website umfassend und zuverlässig auf Ihre Barrierefreiheit zu prüfen, kann der sogenannte BIK-BITV-Test durch eine offizielle Prüfstelle in 98 Prüfschritten durchgeführt werden. Er vergleicht die aktuellen Gegebenheiten einer Website mit den Anforderungen der Barrierefreie Informations-Technik-Verordnung 2.0.

Sollten alle anwendbaren Prüfschritte erfüllt sein und die geprüften Seiten Ihres Angebots mit "konform" bewertet werden, erhalten Sie das "BIK BITV-konform“ Prüfzeichen und können dieses auf der Website einbinden.

Wer ist vom BFSG ausgenommen?

Es gibt beim BSFG bestimmte Ausnahmen zu beachten. Eine besonders wichtige Ausnahme betrifft Unternehmen mit weniger als 10 Mitarbeitern und einem maximalen jährlichen Gesamtumsatz von 2 Millionen Euro. Diese Unternehmen gelten als Kleinunternehmen und sind daher nicht vom Barrierefreiheitsstärkungsgesetz betroffen.

Unser Vorschlag lautet, Websites und Dienstleistungen im Allgemeinen so zugänglich und barrierearm wie möglich zu gestalten. Dies ist nicht nur aus wirtschaftlicher Sicht sinnvoll. Eine barrierefreie Website verbessert die Benutzererfahrung und kann somit die Konversionsrate steigern.

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Typische Probleme auf Websites

Es existieren verschiedene gängige Schwierigkeiten, die Menschen mit Behinderungen beim Zugang zu vielen Websites haben können. Konkrete Einschränkungen können es diesen Personen gegebenenfalls erschweren, die Website entsprechend ihrer ursprünglichen Funktion zu nutzen.

Zu diesen typischen Schwierigkeiten gehören etwa:

  • Schwache Unterschiede zwischen Text und Hintergrund, sei es durch ähnliche Helligkeit oder Farbtöne, die für Menschen mit Rot/Grün-Blindheit schwer zu unterscheiden sind.
  • Texte, die zu klein sind und nicht vergrößert werden können.
  • Fehlende Untertitel in Videos.
  • Navigationselemente, die nicht oder nur eingeschränkt mit der Tastatur bedient werden können, zum Beispiel Formularfelder, die nicht in der erwarteten Reihenfolge angesteuert werden können.
  • PDFs mit nicht erkennbarem Text, der nicht vorgelesen werden kann.
  • Komplexe und bürokratische Sprache.
  • Bilder ohne Alternativtext für Screenreader.

Maßnahmen zur Reduktion von Barrieren auf der Website

Um die beschriebenen (und nur beispielhaften, keineswegs vollständig aufgezählten) Schwierigkeiten zu beheben, gibt es eine Reihe von Maßnahmen, die im Grunde auch schon jetzt und ohne die Verpflichtungen des BFSG umgesetzt werden können und sollten:

  • Schriftarten und Schriftgröße sollten so gewählt sein, dass die Texte immer gut lesbar sind und in ausreichendem Kontrast zum Hintergrund stehen.
  • Schrift sollte sich stets vergrößern lassen – und auch bei vergrößerter Darstellung sollte die Website noch voll und ganz benutzbar bleiben. Interaktive Elemente sollten auf jeden Fall groß genug und auch klar voneinander abgegrenzt sein.
  • Videos sollten stets mit Untertiteln auch in ihrer Ursprungssprache versehen werden. 
  • Links, Formulare, Buttons und Eingabefelder – letztlich alle interaktiven Elemente einer Website – sollten im Quellcode so ausgezeichnet sein, dass sie zum einen auch durch Screenreader korrekt erkannt und ausgegeben und zum anderen über die Tastatur problemlos und auf sinnvolle Art und Weise angesteuert werden können.
  • PDFs und andere Dokumente sollten barrierefrei gestaltet und umgesetzt werden.
  • Texte sollten stets verständlich und nachvollziehbar, klar strukturiert, sprachlich korrekt und sauber geschrieben sein. Ideal wäre es zudem, Inhalte in Leichter Sprache anzubieten, die auch von Menschen mit schlechten Deutschkenntnissen gut verstanden werden können.
  • Bilder sollten stets mit Alternativtext versehen werden.

Ein weiterer, nicht-trivialer, aber wichtiger Schritt zur Barrierefreiheit? Eine Kontaktaufnahme sollte über unterschiedliche Wege möglich sein, also zum Beispiel per E-Mail, per Telefon und idealerweise auch über persönliche Besuche. Bedenken Sie stets, dass die Beschränkung auf einen bestimmten Kommunikationsweg bereits manche Menschen ausschließen kann.

Darüber hinaus sehen die WCAG- und BITV-Standards noch eine ganze Reihe von weiteren und nicht weniger wichtigen Maßnahmen und Schritten vor, mit denen Ihre Website wirklich barrierefrei nutzbar wird.

Fazit:

Damit Unternehmen die Anforderungen des Barrierefreiheitsstärkungsgesetzes erfolgreich umsetzen können, ist es entscheidend, dass sie sich intensiv mit den Bedürfnissen und Herausforderungen von Menschen mit Behinderungen auseinandersetzen. Die Schaffung einer barrierefreien Umgebung erfordert nicht nur technische Anpassungen, sondern auch eine bewusste Sensibilisierung im Umgang mit Vielfalt und Inklusion.

Unternehmen sollten daher ihre Mitarbeiter regelmäßig in Schulungen zum Thema Barrierefreiheit und im Umgang mit Unterstützungstechnologien ausbilden, um sicherzustellen, dass alle Kunden gleichberechtigt betreut werden. Nur durch ein umfassendes Verständnis und eine konsequente Umsetzung der Vorgaben des Barrierefreiheitsstärkungsgesetzes können Unternehmen langfristig positive Veränderungen bewirken und dazu beitragen, eine inklusive Gesellschaft aufzubauen.

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Glossar:

Wichtige Begriffe und Infos rund ums Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG)

Der European Accessibility Act (EAA) ist die Richtlinie, die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union dazu verpflichtet, Gesetze und Verordnungen zu erlassen, die die Barrierefreiheit europaweit sicherstellen. 

Dabei gibt der EAA ein Mindestmaß an Barrierefreiheit für Produkte und Dienstleistungen vor. Er wurde Mitte 2019 verabschiedet und musste bis zum 28. Juni 2022 in nationales Recht umgesetzt werden. Die Umsetzung des European Accessibility Act (EAA) stellt für Unternehmen eine weitere wichtige Herausforderung dar. Dieser Gesetzgeber verpflichtet die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union, Gesetze und Verordnungen zu erlassen, um die Barrierefreiheit europaweit zu gewährleisten. Der EAA legt dabei ein Mindestmaß an Barrierefreiheit für Produkte und Dienstleistungen fest und wurde Mitte 2019 verabschiedet. Bis zum 28. Juni 2022 musste dieser Akt in nationales Recht umgesetzt werden. Diese Anforderungen erfordern von Unternehmen eine weitere Anpassung ihrer Produkte und Dienstleistungen, um den rechtlichen Vorgaben gerecht zu werden und eine inklusive Gesellschaft zu fördern.

Zu den Produkten und Dienstleistungen, die unter den EAA fallen gehören:

  • Geldautomaten und Bankdienstleistungen
  • Computer
  • Telefone und TV-Geräte
  • Telekommunikationsdienstleistungen
  • Transport
  • Onlinehandel.

Was im Detail zu tun ist in der europäischen Norm EN 301 549 geregelt.

Die Norm EN 301 549 (https://www.barrierefreiheit-dienstekonsolidierung.bund.de/Webs/PB/DE/gesetze-und-richtlinien/en301549/en301549-node.html) beschreibt das Vorgehen, um sicherzustellen, dass die Produkte und Dienstleistungen unter dem European Accessibility Act barrierefrei sind. 

Für Websites und Anwendungen referenziert EN 301 549 direkt den internationalen Standard „Richtlinien für Barrierefreie Webinhalte (WCAG) 2.1” auf Level AA. Die Norm EN 301 549 gibt klare Anweisungen, wie Produkte und Dienstleistungen gemäß dem European Accessibility Act barrierefrei gestaltet werden können. Im Bereich von Websites und Anwendungen verweist EN 301 549 direkt auf den internationalen Standard "Richtlinien für Barrierefreie Webinhalte (WCAG) 2.1" auf Level AA.

Stichtag für das Gesetz ist der 28. Juni 2025. Produkte, die nach diesem Datum in den Verkehr gebracht werden und Dienstleistungen, die nach diesem Datum erbracht werden, müssen barrierefrei sein.

Beispiele für Produkte, die dem BFSG unterliegen, sind unter anderem Computer, Tablets und Handys, Fernsehgeräte mit Internetzugang, E-Book-Reader, Automaten (u. a. Geld- und Ticketautomaten), sowie Router.

Zu Dienstleistungen zählen neben dem Personenverkehr auch Telefon- und Messenger-Dienstleistungen sowie Dienstleistungen im elektronischen Geschäftsverkehr. Viele Websites fallen ebenfalls unter diese Kategorie, insbesondere natürlich Webshops, aber auch andere Dienstleistungen, wie Kontaktformulare und Terminbuchungsmasken.

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Wie wir Ihr Unternehmen rund um das Thema BITV und barrierefreie Websites unterstützen können:

  • Wir bietet Ihnen eine umfassende Beratung zu den Anforderungen und Richtlinien der BITV und fühen eine Barrierefreiheitsanalyse Ihrer bestehenden Webseite durch, um mögliche Schwachstellen zu identifizieren.
     
  • Gern unterstützen wir Sie bei der Neugestaltung oder Anpassung Ihrer Webseite, um die Anforderungen der BITV zu erfüllen. Dies umfasst die Gestaltung einer benutzerfreundlichen und barrierefreien Benutzeroberfläche sowie die Implementierung von barrierefreien Techniken und Funktionen. Darüber hinaus können wir Sie bei Erstellung barrierefreier Inhalte unterstützen.
     
  • In Schulungen und Workshops können wir das Bewusstsein für Barrierefreiheit schärfen und das Wissen über die Umsetzung barrierefreier Webseiten nach BITV vermitteln. Dies kann dazu beitragen, dass Ihre Organisation langfristig barrierefreie Standards einhält.
     
  • Wenn gewünscht, können wir Ihnen auch bei der Erlangung eines offiziellen Barrierefreiheitszertifikats für Ihre Webseite helfen. Dies kann Ihre Bemühungen zur Schaffung einer barrierefreien Online-Präsenz offiziell bestätigen.

Haben Sie weitere Fragen?

Oliver Parrizas steht Ihnen für Ihre Fragen zum Thema gerne zur Verfügung.

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